Cevap: Risale-i Nur lesen -Sechsundzwanzigster Brie f
Viertes Kapitel -Zehn Fragestellun
Anmerkung: Die zehn Fragestellungen dieses Vierten Kapitels sind in gleicher Weise nicht miteinander verbunden wie auch die vier Kapitel des Sechsundzwanzigsten Briefes nicht miteinander verbunden sind. Deshalb sollte man auch nicht nach einem Zusammenhang suchen. Sie wurden aufgezeichnet, wie sie mir eingefallen sind und sind Teil eines wichtigen Briefes an einen meiner Schüler, Antwort auf fünf, sechs Fragen, die er mir gestellt hatte.
Erste Fragestellung
Zweitens: In deinem Brief erwähnst du, dass in den Erklärungen und Auslegungen zu
»Herr der Welten« (Sure 1, 1)
von achtzehn Welten die Rede ist. Du fragst nach dem Sinn dieser Zahl.
Bruder, ich weiß im Augenblick auch nicht den Sinn dieser Zahl. Doch so viel kann ich jetzt schon sagen: Die Sätze des Weisen Qur’an sind nicht auf eine einzige Bedeutung beschränkt. Denn da er all die verschiedenen Schichten des Menschengeschlechts anspricht, gibt es für eine jede dieser Schichten eine Art Ganzes, dass eine solche Bedeutung in sich enthält. Die Bedeutung, die jeweils ausgesprochen wird, ist Teil eines allgemein gültigen Gesetzes. Jeder Kommentator und jeder (Schrift-) gelehrte erwähnt jeweils nur einen Teil des Ganzen. Je nach Eingebung, Beweislage oder Schulung wählt er die eine oder die andere Bedeutung aus. Auf diese Weise gelangte denn auch die eine oder andere Gruppe zu der Meinung, die dieser Zahl entsprach.
Zum Beispiel reicht die individuelle Bedeutung der folgenden Sätze
»Er ließ die beiden Meere strömen, dass sie einander treffen. Zwischen ihnen ist eine Trennwand, die sie nicht überwinden können.« (Sure 55, 19-20)
auf die die Freunde Gottes solchen Nachdruck legen, die sie in ihren Anrufungen so oft rezitieren (dhikr) und wiederholen, vom Meer der göttlichen Herrschaft und dem Meer des Dienstes und der Anbetung im Bereich des Notwendigen und im Bereich des Möglichen bis zu den Meeren des Diesseits und des Jenseits, den Meeren der (für uns) unsichtbaren und der (von uns) bezeugten Welt, den Ozeanen des Ostens und des Westens, des Nordens und des Südens, zum Adriatischen Meer und zum persischen Golf, zum Mittelmeer, dem Schwarzen Meer und dem Bosporus – woher die Fische stammen, die man Brassen nennt – zum Mittelmeer, dem Roten Meer und dem Suezkanal, zu den Seen mit süßem und salzigem Wasser, zu den Seen über und unter der Erde mit süßem und verschiedenen anderen Gewässern, zu den Salzseen und ganzen Seenlandschaften, bis zu den kleinen Seen, welche von den großen Strömen, wie dem Nil, oder Euphrat und Tigris gebildet werden, bis zu den großen Meeren, in die sie schließlich münden. All das kann wörtlich damit gemeint sein, oder sinnbildlich so zum Ausdruck gebracht werden.
In gleicher Weise umfasst auch (die Ayah)
»Lob und Preis sei Gott, dem Herrn der Welten« (Sure 1, 1)
sehr viele Wahrheiten. Leute geistiger Entdeckungen (keschf) und Kenner der Wahrheit erklären sie je nach ihren Entdeckungen ganz verschieden.
Ich selbst denke mir, dass es im Himmel Tausende von Welten gibt. Unter seinen Sternen könnte so mancher eine Welt für sich sein. Auch hier auf Erden kann eine jede Art, unter allen, die erschaffen wurden, eine Welt für sich sein. Ja sogar jeder Mensch ist eine kleine Welt für sich.
Was den Ausdruck
»Herr der Welten« (Sure 1, 1)
betrifft, so bedeutet er, dass »eine jede Welt unmittelbar durch die Herrschaft Gottes des Gerechten regiert, verwaltet und versorgt wird.«
Drittens: Der Ehrenwerte Gesandte Gottes, mit dem Friede und Segen sei, sagte:
»Wenn Gott einem Volk Gutes erweisen will, lässt er es seine eigenen Fehler erkennen.«
Und im Weisen Qur’an sagt der Ehrenwerte Jusuf, mit dem der Friede sei:
»Und nicht spreche ich meine Seele frei, denn wahrlich, die Seele verlangt gierig nach dem Bösen.« (Sure 12, 53)
In der Tat ist, wer sich selbst gefällt und auf sich selbst vertraut, ein unglückseliger Mensch. Doch wer die Fehlerhaftigkeit seiner Seele erkennt, ist ein glücklicher Mensch. So gehörst du also zu den Glücklichen. Doch manchmal geschieht es, dass die eigenwillige Seele sich in eine klagende Seele oder eine ruhige Seele verwandelt, doch dabei Waffen und Ausrüstung an die Nerven weiter gibt. Diese Adern und Nerven aber setzen ihre Aufgabe noch bis zum Ende des Lebens fort. Und obwohl die eigenwillige Seele schon längst gestorben ist, bleiben ihre Spuren dennoch weiterhin sichtbar. Es gibt große Heilige und Gelehrte, die sich über ihre eigenwillige Seele beklagen, wo ihre Seele doch längst schon zur Ruhe gekommen war. Obwohl ihre Herzen längst von Ruhe und Frieden erfüllt waren, klagten sie noch immer über die Qual ihres Herzens. So handelt es sich also bei solchen Persönlichkeiten nicht um ihre eigenwillige Seele, sondern um eine Funktion, welche diese eigenwillige Seele auf die Nerven übertragen hat. Was die Krankheit selbst betrifft, so befällt sie nicht das Herz, sie ist vielmehr eine Qual in unserer Vorstellung. Was also, mein lieber Mitbruder, dich angreift, ist – möge Gott es so wollen – nicht deine Seele und die Qual deines Herzens, vielmehr – wie gesagt – ein Zustand (hal), der – um den Kampf fortzusetzen – infolge der menschlichen Natur auf die Nerven übertragen wurde und die Ursache ständiger Weiterentwicklung bildet.
Zweite Fragestellung
An verschiedenen Stellen der Risale-i Nur finden sich Antworten auf drei Fragen, die ein alter Hoca gestellt hatte. Wir wollen nun hier einen kurz zusammengefassten Hinweis geben. Er fragt: Muhyiddin Arabi schreibt in einem Brief an Fachru-d’Din Rasi: »Gott zu kennen ist etwas anderes, als von Seinem Dasein zu wissen.« Was meint er damit? Was ist der Sinn seiner Frage? Erstens: In der Einführung zum Zweiundzwanzigsten Wort, die du ihm vorgelesen hast, verweisen Vergleiche und Beispiele für den Unterschied zwischen einer wahrhaftigen Erkenntnis der Einheit Gottes (Tauhid) und einer nur scheinbaren Erkenntnis auf diesen Sinn, während das Zweite und Dritte Kapitel des Dreiunddreißigsten Wortes in den entsprechenden Abschnitten diesen Sinn näher erläutern. Zweitens: Muhyi-d’Din Arabi, in dessen Augen die Erläuterungen der führenden Gelehrten zu den Grundlagen des Glaubens und zur Theologischen Wissenschaft über die Grundpfeiler des Glaubens, die Existenz des Notwendig-Seienden und die Einheit Gottes (Tauhid) als nicht ausreichend erschienen, machte (diese Aussage) gegenüber Fahru-d’Din Rasi, einem der führenden Theologen. Eine mit Hilfe der Theologie erworbene Gotteserkenntnis verhilft in der Tat nicht zu einer vollkommenen Erkenntnis und dem absoluten Bewusstsein göttlicher Gegenwart. Wenn sie jedoch mit den Mitteln des Qur’an erfolgt, der in seiner Verkündigung ein Wunder ist, so vermittelt sie sowohl eine vollkommene Kenntnis und bewirkt zugleich auch das absolute Bewusstsein göttlicher Gegenwart. Möge Gott es wollen, dass all die Abschnitte der Risale-i Nur als Positionslampen auf der leuchtenden Straße des Qur’an, dessen Verkündigung ein Wunder ist, dienen werden. Des Weiteren ist die Erkenntnis Gottes, die Fachru-d’Din Rasi mit Hilfe der Theologie erworben hat, so mangelhaft sie in den Augen Muhyi-d’Din Arabis auch sein mochte, gegenüber der Erkenntnis Gottes, erworben mit den Methoden der Sufis, in gleicher Weise mangelhaft, verglichen mit der Erkenntnis, wie sie durch das Geheimnis des Erbes des Propheten unmittelbar aus dem Weisen Qur’an erlangt wird. Denn Muhyi-d’Din Arabi ging auf seinem Weg in gewisser Weise so weit, dass er, um die beständige Gegenwart Gottes zu gewinnen, sagte:
»Es gibt kein Sein außer Ihm.«
wobei er schließlich die Existenz des Weltalls leugnete. Und was (all die anderen Mystiker) betrifft, so gingen auch sie, in ihrem Bestreben, die beständige Gegenwart Gottes zu erlangen, in einer gewissen recht merkwürdigen Art so weit, zu sagen:
»Es gibt nichts (gar keine Welt, die wir bezeugen könnten) außer Ihm.«
wobei sie schließlich das Weltall unter einem Mantel völligen Vergessens bedeckten. Was aber jene Erkenntnis betrifft, die dem Weisen Qur’an entnommen wird, so schenkt sie eine immerwährende Gegenwart Gottes, ohne gleichzeitig das All zum Nichtsein zu verdammen, noch es in einer völligen Vergessenheit einzusperren. Vielmehr befreit sie (das All) aus seiner Herrenlosigkeit und nimmt es im Namen Gottes des Gerechten in seinen Dienst. Alles wird zu einem Spiegel der Erkenntnis. So wie Sa’adi Schirasi sagte:
»In den Augen eines wachen Menschen ist jedes Blatt ein Brief in der Erkenntnis des Meisters.«
Mit jedem Ding öffnet sich ein Fenster zur Erkenntnis.
In einigen der »Sözler« (Worte) haben wir die Unterschiede zwischen dem Weg der gelehrten Theologen und der dem Qur’an entnommenen wahren Hochstraße anhand des folgenden Gleichnisses dargestellt. Beispiel: Wenn es darum geht, Wasser herbeizuschaffen, so graben einige unter den Bergen und bringen so von weit entfernten Orten durch Leitungsrohre Wasser herbei. Andere graben überall einen Brunnen und schöpfen Wasser. Die erste Art ist mit vielen Mühen verbunden, mit Verstopfungen und mit Versickerungen. Diejenigen aber, die überall Brunnen zu graben und Wasser zu fördern wissen, können Wasser überall ohne Mühe herbeischaffen.
In gleicher Weise schneiden die Theologen die Kette der Ursachen am Ende der Welt bei der Unmöglichkeit ihrer Umkehrung ab und beweisen damit das Sein dessen, der da notwendigerweise sein muss (Vadjib-ul-Vudjudun vudjudunu). So folgen sie einem langen Weg. Was aber die Hochstraße des Weisen Qur’an betrifft, so findet und schöpft er Wasser überall. Jede seiner Ayat schlägt wie der Stab des Mosis überall und lässt lebendiges Wasser empor strömen. Das lässt jedes Ding den folgenden Grundsatz rezitieren:
»und in jedem Ding findet er ein Zeichen, das beweist, dass Er ein Einziger ist.«
Des Weiteren gehört zum Glauben nicht nur das Wissen; im Glauben verbunden sind auch noch all die vielen feinsinnigen Organe (des Menschen). So wie Nahrung in den Magen gelangt und von dort über die verschiedenen Venen in die einzelnen Organe verteilt wird, so gelangen auch die Dinge des Glaubens, welche durch Wissen erworben wurden, nachdem sie durch den Magen des Verstandes gegangen sind, in den Geist (ruh), das Herz, die innere Wahrnehmung (sir), die Seele (nefs) usw. und jedes (Organ) erhält seinen Anteil und nimmt ihn in sich auf. Wenn nicht jedes seinen Anteil erhält, ist (die Versorgung des menschlichen Organismus) nur mangelhaft. In dieser Weise gab also Muhyi-d’Din Arabi seine Erklärung für Fahru-d’Din Rasi ab.
»Wir haben die Söhne Adams geehrt.« (Sure 17, 70)
»Er war in der Tat ungerecht und unwissend.« (Sure 33, 72)
In welcher Weise können diese beiden Ayat miteinander in Übereinstimmung gebracht werden?
Antwort: Im Elften und im Dreiundzwanzigsten Wort und in der Zweiten Frucht am Fünften Ast des Vierundzwanzigsten Wortesfolgt die Erklärung dazu. Hier eine Zusammenfassung dieser Wahrheit (sirr):
Gott der Gerechte in Seiner Allmacht (qudret) formt viele Dinge aus einem einzigen Ding, lässt sie viele Aufgaben versehen und schreibt tausend Bücher auf eine einzige Seite. Genauso erschuf er auch den Menschen als eine Konzentration in seiner Art statt vieler verschiedener Arten. Das heißt, Er wollte, dass durch den Menschen in einer einzelnen Art so viele Funktionen ausgeübt würden, wie sie der Zahl der Arten, Gruppen und Familien all der verschiedenen Tierarten entspricht. Daher hat Er den Sinnen und Fähigkeiten des Menschen von Natur aus keine Grenzen gesetzt, ihnen von Natur aus keine Fesseln angelegt, sondern ihn frei gelassen. Die Sinne und Fähigkeiten der Tiere sind begrenzt. Ihre Natur ist gebunden, während hingegen eine jede der menschlichen Kräfte über eine unendliche Entfernung frei in Richtung Ewigkeit zu schweifen vermag. Denn da der Mensch ein Spiegel der unendlichen Manifestationen der Namen des Schöpfers des Universums ist, wurde auch seinen Kräften (kuva) eine grenzenlose Fähigkeit zu deren Entfaltung gegeben.
Wenn dem Menschen in seiner Gier z.B. die ganze Welt gegeben würde, sagte er doch
»Gibt es denn da nicht mehr?« (Sure 50, 30)
Des Weiteren findet er es in seinem Egoismus für annehmbar, dass Tausend Leute zu seinem eigenen Nutzen Schaden erleiden sollten usw... Es gibt grenzenlose Möglichkeiten, sich im Bereich seiner schlechten Gesinnung zu verbreiten. Er kann selbst die Stufe eines Nimrod oder Pharao erreichen. In Übereinstimmung mit dem Elativ der Ayah am Anfang des Kapitels ist er besonders ungerecht. In gleicher Weise liegt es auch in seiner Fähigkeit, grenzenlose Fortschritte in seiner guten Gesinnung zu machen und sich bis zur Stufe der Propheten und Seiner Getreuen zu entfalten. Des Weiteren ist der Mensch im Gegensatz zu den Tieren unwissend in Bezug auf alle lebensnotwendigen Dinge und muss alles erst noch lernen. Da er unendlich viele Dinge braucht, ist er in Übereinstimmung mit dem obigen Elativ der gleichen Ayah besonders unwissend. Was aber das Tier betrifft, so braucht es, sobald es zur Welt kommt nur ganz wenige Dinge. Ferner kann es die Dinge, die es braucht, um alle Bedingungen seines Lebens (zu meistern), in ein, zwei Monaten, ein, zwei Tagen, ja sogar in nur ein, zwei Stunden erlernen. Es ist, als habe es schon in einer anderen Welt Vollkommenheit erlangt und sei nun mit ihr hier angelangt. Doch der Mensch kommt erst in ein, zwei Jahren auf die Beine und lernt erst mit fünfzehn zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Der Elativ »besonders unwissend« zeigt dies an.
Vierte Fragestellung
»Erneuert euren Glauben durch: Es gibt keine Gottheit außer Gott.«
Du fragst nach dem Sinn dieser Hadith.
Die Weisheit (dieser Hadith) wurde schon in vielen »Sözler« (Worten) erwähnt. Ihr Geheimnis und einer ihrer Aspekte ist der folgende:
Da sich der Mensch und seine Welt ständig erneuern, bedarf auch sein Glaube einer beständigen Erneuerung. Denn in jeder einzelnen Person kann man sich viele einzelne Persönlichkeiten vorstellen. Je nach der Anzahl seiner Jahre, ja nach der Anzahl seiner Tage, ja sogar nach der Zahl der Stunden kann man ihn stets wieder als eine andere Persönlichkeit betrachten. Denn da der Mensch der Zeit unterworfen ist, gilt er jeweils einer bestimmte Persönlichkeit als Modell, das sich jeden Tag mit einer anderen Persönlichkeit bekleidet.
Ferner gibt es gleich der Multiplizität und Erneuerungsfähigkeit im Menschen selbst, auch eine Mobilität in der Welt, in der er lebt. Sie vergeht, während eine andere an ihre Stelle tritt. Sie verändert sich ständig. Jeden Tag öffnet eine neue Welt ihre Pforten. Was nun aber den Glauben betrifft, so ist er sowohl das Licht, das das Leben eines jeden Individuums erleuchtet, als auch der Lichtstrahl, den er erblickt, wenn er zur Welt kommt.
»Es gibt keine Gottheit außer Gott.«
Das ist die Flamme, um dieses Licht zu entzünden.
Da aber nun ferner die Seele (nefs), die Begierde, die Einbildung und der Satan ihren Einfluss auf den Menschen ausüben, so nutzen sie seine Nachlässigkeit (ghaflah), um seinen Glauben zu zerstören, suchen ihn auf vielfältige Weise zu überlisten und löschen so das Licht des Glaubens mit ihren Zweifeln und mit ihren Einflüsterungen. Des Weiteren ist er dazu geneigt, mit seinen Worten und Taten, die in den Augen mancher Imame geradezu Unglaube (kufr) sind, ganz offensichtlich dem Gesetz (schari’ah) zuwider zu handeln. Darum ist es auch notwendig, dass er jederzeit seinen Glauben erneuert, zu jeder Stunde und an jedem Tag.
Frage: Die gelehrten Theologen verpacken die Welt in ein kurz zusammengefasstes Konzept eines Seins von »hudus« (von Gott geschaffen, von Ihm abhängig und vergänglich) und »imkan« (möglich und veränderlich, weil Gott es aus dem Nichtsein gerufen hat), verfügen so in ihren Gedanken über sie und beweisen daraufhin Gottes Einheit (Vahdaniyet).
Ein Teil der Mystiker sagt hingegen, um Gottes Gegenwart zur Gänze zu erfahren
»Es gibt nichts (gar keine Welt, die wir bezeugen könnten) außer Ihm.«
vergisst die ganze Welt, deckt den Mantel des Vergessens über sie und erfährt danach dann die völlige Gegenwart. Und ein anderer Teil von ihnen sagt, um die wahrhaftige Einheit und Gottes Gegenwart zur Gänze zu erfahren
»Es gibt kein Sein außer Ihm.«
hüllt die ganze Welt in seine Phantasie ein und schleudert sie ins Nichtsein. Dann erst erfährt er die völlige Gegenwart. Stattdessen zeigst du uns außer diesen drei Arten eine Hochstraße im Qur’an. Und als ihr Kennzeichen sagst du
»Es gibt keinen Angebeteten außer Ihm!« »Es gibt kein Ziel außer Ihm!«
Kannst du uns ein Zeugnis der Einheit (Tauhid) und, zusammengefasst, einen kurzen Weg zu ihr zeigen?
Antwort: Alle »Worte« und alle »Briefe« zeigen diese Straße. Aber für dieses Mal wollen wir, so wie du das gewünscht hast, auf die machtvollen Zeugnisse und die umfangreichen Beweise mit einer kompakten Zusammenfassung verweisen. Folgendermaßen:
In dieser Welt verweist ein jedes Ding alle Dinge auf seinen eigenen Schöpfer. Und hier im Diesseits zeigt ein jedes Werk, dass alle Kunstwerke die Werke seines eigenen Schöpfers sind. Und im Universum beweist ein jedes Schöpfungswerk, dass alle Werke der Schöpfung Handlungen dessen sind, der es selbst bewirkt hat. Und jeder Name, der sichtbar wird in allem Sein, ist ein Zeichen, dass alle Namen Namen und Titel des Trägers dieses Namens sind. Das heißt: jedes Ding ist ein Zeugnis für die Einheit und Allgegenwart und ein Fenster zur Erkenntnis Gottes. In der Tat ist jedes Werk, besonders aber wenn es sich um ein Lebewesen handelt, ein verkleinertes Abbild des Kosmos und eine Frucht, die der Erdball hervorgebracht hat und zugleich auch der Kern in ihr. Wenn dies aber so ist, so muss auch der, der dieses verkleinerte Abbild, diese Frucht und den Kern in ihr erschaffen hat, in jedem Fall derselbe sein, der auch den ganzen Kosmos erschaffen hat. Denn der Schöpfer einer Frucht kann kein anderer sein, als der Schöpfer des Baumes (der diese Frucht trägt).
Wenn es aber nun so ist, dann verweist jedes einzelne Werk auf alle Werke seines Schöpfers und schreibt auch jede einzelne Handlung alle übrigen Handlungen dem zu, der sie selbst verrichtet. Denn wir sehen, dass jeder Schöpfungsakt sich als Endpunkt eines langen Schöpfungsprozesses zeigt, der so weitreichend und umfangreich ist, dass er die meisten Formen des Seins von den Atomen bis zu den Sonnen umfasst. Das heißt, dass der, der einen Schöpfungsakt vollzieht, auch der sein muss, der alle Handlungen verrichtet, die an ein universelles Gesetz gebunden sind, das alles Sein umfasst und sich von den Atomen bis zu den Sonnen erstreckt.
Denn sicherlich muss derjenige, der auch nur eine Fliege ins Leben ruft, zugleich auch derjenige sein, der alle Insekten und alle kleinen Tiere erschafft und die ganze Erde mit Leben erfüllt. Des Weiteren muss derjenige, der ein Atom sich wie ein Mewlewi-Derwisch drehen lässt, auch der sein muss, der in Folge alles Sein in Bewegung versetzt, so wie die Sonne mit all ihren Planeten durch den Weltraum eilt. Denn das Gesetz wirkt in Folge auf alle Reaktionen ein und verbindet sie miteinander der Reihe nach.
Das heißt: So wie ein jedes Werk alle Werke seinem Schöpfer zuschreibt und ein jeder Akt der Schöpfung alle Schöpfung als einen Akt dessen beansprucht, der ihn bewirkt hat, so ist auch ein jeder Name, der sichtbar wird in allem Sein, ein Zeichen, dass alle Namen Namen und Titel des Trägers dieses Namens sind. Denn alle Namen, die sich im Universum zeigen, gleichen konzentrischen Kreisen und den sieben Farben des Lichts, die ineinander über gehen und einander helfen, in ihrem Tun einander ergänzen und ausgestalten.
Zum Beispiel: wenn der Name »Lebensspender« (Muhyi) in einem Ding erscheint und in dem Augenblick, in dem ihm das Leben geschenkt wird, erscheint zugleich auch der Name »Allweiser« (Hakiem) und ordnet das Nest dieses Lebewesens, das sein Körper ist, in Weisheit. Zugleich erscheint auch der Name »Freigiebiger« (Keriem). Er gestaltet das Nest. Zu gleicher Zeit erkennt man auch die Erscheinung des Namens »Erbarmer« (Rahiem) der liebevoll (shefqat) für alle Bedürfnisse dieses Körpers sorgt. Zu gleicher Zeit wird auch die Erscheinung des Namens »Versorger« (Rezzaq) sichtbar, der dem Lebewesen auf unerwartete Weise all das gibt, was für seinen Fortbestand an körperlicher und geistiger Nahrung notwendig ist. Usw...
Das heißt also, wem der Name »Lebendiger« (Muhyi) gehört, dem gehört auch der Name dessen, dem der Name »Allweiser« (Hakiem) gehört und das Licht allen Seins ist, es umfasst. Auch der Name »Erbarmer« (Rahiem) gehört Ihm, der alles Sein in Liebe umsorgt. Auch der Name »Versorger« (Rezzaq) gehört Ihm, und ist der Titel dessen, der alle Lebewesen freigiebig mit allem ausstattet. Usw...
Das heißt: jeder Name, jede Handlung, jedes Werk ist ein solches Zeugnis für die Allgegenwart Gottes, dass es darauf hinweist, dass alle Worte, die auf den Seiten des Alls und den Zeilen der Jahrhunderte geschrieben stehen und das Sein genannt werden, Stempel und Siegel Seiner Allgegenwart (Vahdaniyet) und Einheit (Ahadiyet) sind und Ornamenten gleich aus der Feder ihres Schreibers hervorgegangen sind.
»Es gibt keine Gottheit außer Gott«
»Oh Gott segne den, der gesagt hat: ›Das beste von allem, was ich und die Propheten vor mir gesagt haben, ist: Es gibt keine Gottheit außer Gott.‹ Friede sei mit ihm, seiner Familie und seinen Gefährten!«
Fünfte Fragestellung
In deinem Brief stellst du noch eine andere Frage zu einem weiteren Thema. (Du fragst nämlich), ob allein schon
zu sagen, bereits genügt. Denn kann man, ohne
»Mohammed ist Gottes Gesandter.«
zu sagen, zu denen gehören, die gerettet sind?
Diese (Frage erfordert eigentlich eine) längere Antwort. Doch für heute wollen wir nur so viel sagen:
Diese beiden Teile des Glaubensbekenntnisses kann man nicht voneinander trennen. Sie beweisen sich gegenseitig. Sie ergänzen einander. Sie können nicht ohne einander sein. Weil aber nun der Prophet, mit dem Friede und Segen sei, das Siegel und Erbe aller Propheten ist, ist er mit Sicherheit auch das Haupt aller Wege, die (zu Gott hin) führen. Außerhalb seiner hohen Straße kann es keinen Weg zu Wahrheit (haqiqat) und Erlösung geben. Alle Leute der Erkenntnis (marifet) alle Imame, die sich, wie Sa’di Schirasi, mit ihrer Erforschung und Bewahrheitung (tahqiq) beschäftigt haben, sagen:
»Unmöglich ist, Sa’di, der Sieg auf dem Weg zur Erlösung, einzig, es sein denn, du folgst Mustafa und seiner Spur!«
»Es gibt keine Gottheit außer Gott.«
Ferner haben sie gesagt: Alle Wege sind verschlossen, ausgenommen die hohe mohammedanische Straße.
Doch geschieht es manchmal, dass (Menschen) die Straße Mohammeds, mit dem Friede und Segen sei, wandeln, ohne zu wissen, dass es die Straße Mohammeds ist, und sie selbst mitten auf dieser Straße.
Desgleichen geschieht es zuweilen: Sie kennen den Propheten nicht. Doch während sie des Weges ziehen, ist dieser ein Teil der Straße Ahmeds.
Und weiter geschieht es zuweilen, während sie sich in einem Zustand der Ekstase befinden, oder in Meditation versunken sind, als Einsiedler leben oder als Wandermönche umherziehen, ohne auch nur an die mohammedanische Straße zu denken. Nur das
genügt ihnen. Bei allem ist dennoch der wichtigste Aspekt folgender: etwas nicht anzunehmen (aus seiner Unwissenheit heraus) ist die eine Sache, etwas anzunehmen (aus seinem Unglauben heraus) ist die andere Sache. Diese Art Eremiten und Ekstatiker, oder solche, die von nichts gehört oder gewusst haben, kennen den Propheten nicht oder denken nicht an ihn, sodass sie ihn annehmen könnten. In diesem Punkt bleiben sie unwissend (cahil). Was ihre Gotteserkenntnis betrifft, so wissen sie nur:
»Es gibt keine Gottheit ohne Gott.«
So könnten sie zu denen gehören, die gerettet werden. Wenn hingegen Menschen den Propheten gehört haben und seine Botschaft vernommen haben und ihn dennoch nicht annehmen, so kennen sie Gott den Gerechten nicht. Für sie drückt das Wort:
»Es gibt keine Gottheit außer Gott.«
nicht die Einheit Gottes (Tauhid) aus, was die Voraussetzung zu ihrer Rettung wäre. Denn ihr Zustand (hal) ist keine Unwissenheit, sodass es noch in gewisser Weise zu entschuldigen wäre, wenn sie den Glauben nicht annehmen, sondern die Annahme des Unglaubens und eine Verleugnung. Ein Mensch, der Mohammed verleugnet, mit dem Friede und Segen sei, der mit all seinen Wundern und Werken der Stolz des Weltalls und der Ruhm des Menschengeschlechtes ist, kann sicherlich in keiner Weise irgendein Licht empfangen und Gott nicht erkennen. Wie dem auch immer sei... dies möge für jetzt genügen.
Sechste Fragestellung
Einige der Ausdrücke, die im Ersten Kapitel, (mit der Überschrift »Streitgespräch mit einem Teufel« verwendet wurden (und worin es um die Wege und) Methoden des Teufels geht, waren doch reichlich grob ausgefallen. Trotzdem einige Ausdrücke mit Interjektionen wie: »Um Himmels willen!«, »Gott bewahre!« oder »den unmöglichen Fall einmal angenommen« schon etwas abgeschwächt worden sind, lassen sie mich trotzdem noch erzittern. In dem Abschnitt, den ich dir geschickt habe, finden sich einige kleinere Abschwächungen. Hast du deine Abschrift entsprechend korrigieren können? Ich überlasse es dir, von diesen Ausdrücken, diejenigen zu streichen, die du für unnötig hältst. Mein lieber Bruder! Dieses Kapitel ist besonders wichtig, denn der Meister aller Gottesleugner ist der Teufel. Wenn der Teufel nicht zum Schweigen gebracht wird, lassen sich seine Nachahmer nicht überzeugen. Da der Weise Qur’an die groben Ausdrücke der Gottlosen erwähnt und sie zurückweist, ermutigt mich das. Zitternd und in Form einer Annahme des Unmöglichen habe ich diese törichten Ausdrücke verwendet, wie sie diese Parteigänger aller Anhänger des Teufels zwangsläufig annehmen mussten, weil ihr Weg das so erfordert, und die sie mit ihrem eigenen Mund aussprechen müssen, ob sie wollen oder nicht, um auf diese Weise die völlige Verdorbenheit des satanischen Weges zu demonstrieren. Doch indem wir sie gebrauchten, haben wir sie bis zum Boden des Brunnens verfeinert und von dem ganzen Gebiet für den Qur’an Besitz ergriffen und ihre Listen bloßgestellt. Betrachte einmal diesen Sieg in dem folgenden Gleichnis: Lasst uns doch z.B. einmal uns ein sehr hohes Minarett vorstellen, das bis an den Himmel reicht, zu dessen Füßen aber ein Brunnen gegraben wurde, der bis zum Mittelpunkt der Erde reichen solle. Zwei Gruppen streiten nun darüber, wo zwischen der Spitze des Minaretts und dem Boden des Brunnens ein Mann stehen sollte, dessen Ruf zum Gebet von allen Menschen im ganzen Lande gehört werde! Die erste Gruppe sagt: »Sein Platz sollte an der Spitze des Minaretts sein, von wo er den Aufruf zum Gebet für den ganzen Kosmos rezitieren werde. Weil wir seinen Ruf hören, ist er auch lebendig und er ist erhaben. Natürlich kann ihn nicht jeder sehen dort droben in seiner hohen Position. Doch entsprechend ihrem eigenen Standpunkt kann jedermann ihn dort oben sehen, auf einer bestimmten Stufe (maqam), während er hinauf oder hinunter steigt. So wissen sie entsprechend alle: Jetzt steigt er hinauf! Und ganz gleich, wo man ihn gerade sehen kann: er ist doch der Herr der höchsten Stufe (maqam)! Die andere, teuflische, törichte Gruppe aber sagt: »Nein! Sein Platz ist nicht an der Spitze des Minaretts. Ganz gleich wo man ihn gerade sehen kann: sein Platz ist auf dem Grund des Brunnens.« Doch in Wirklichkeit hat ihn gar niemand auf dem Grunde des Brunnens gesehen, noch können sie jemals ihn dort erblicken. Stellen wir uns doch einmal vor, er sei schwer und willenlos wie ein Stein! Dann würde er sicherlich auf dem Grunde des Brunnens liegen und dort würde jemand ihn auch sehen. Das Schlachtfeld dieser beiden einander entgegengesetzten Gruppen ist also nun der weite Abstand zwischen der Spitze des Minaretts und dem Boden des Brunnens. Die Gemeinschaft der Leute des Lichts, die man die Gefolgschaft Gottes nennt, zeigt allen weitsichtigen (Menschen) den Muezzin auf der Spitze des Minaretts. Und denen, deren Blicke in ihrer Kurzsichtigkeit nicht so hoch empor reichen, zeigen sie den Muezzin auf einer Stufe, die ihrem jeweiligen Standpunkt entspricht. Ein kleines Zeichen genügt ihnen schon als ein Beweis dafür, dass der Muezzin keine leblose Masse wie ein Stein ist, sondern ein vollkommener Mensch (insan-i kamil), der zu seiner Zeit nach oben steigt, sichtbar wird und zum Gebet ruft. Was aber die andere Gruppe, die man die Gefolgschaft des Satans nennt, urteilt törichter Weise so: »Zeigt ihn entweder allen auf der Spitze des Minaretts, oder aber sein Platz ist am Grunde des Brunnens.« In ihrer Dummheit wissen sie nicht, dass es nur an denen liegt, deren Blick nicht so weit empor reicht, wenn man ihn nicht jedermann auf der Spitze des Minaretts zeigen kann. In ihrer Spitzfindigkeit wollen sie den ganzen Bereich für sich in Anspruch nehmen, allein die Spitze des Minaretts davon ausgenommen. So tritt dann also jemand hervor, um den Streit zwischen den beiden Gemeinschaften zu schlichten und sagt zu dieser Gefolgschaft des Satans: »Oh unglückselige Gruppe! Wäre der Platz (maqam) dieses gewaltigen Muezzins am Grunde des Brunnens, so müsste er wie ein Stein so leblos und kraftlos sein. Und der auf den Stufen, die im Brunnen hinunter führen und denen, die im Minarett hinauf führen, sichtbar wird, könnte nicht er sein. Da ihr ihn aber dort sehen könnt, kann er sicherlich nicht so kraftlos, tot und wesenlos sein. Die Spitze des Minaretts muss sein Platz (maqam) sein. Da dies aber nun einmal so ist, zeigt ihn also nun auf dem Grunde des Brunnens – wo ihr ihn aber auf gar keinen Fall zeigen könnt und ihr werdet auch niemanden glauben machen können, er sei dort, oder aber schweigt! Das Gebiet, das ihr verteidigt, ist der Grund des Brunnens. Was aber den übrigen Bereich und den weiten Zwischenraum betrifft, so ist er der Bereich dieser gesegneten Gemeinschaft. Wo immer sie diese Persönlichkeit zeigt, es sei denn am Grunde des Brunnens, dort werden sie auch den Fall für sich entscheiden.« So wird denn wie in diesem Gleichnis, worin mit dem Kapitel über die Diskussion mit dem Teufel vom Throne Gottes bis hinab auf den Grund dieser weite Zwischenraum der Gefolgschaft des Satans aus der Hand genommen, die gesamte Gefolgschaft des Satans in die Ecke getrieben und zum Schweigen gebracht. Ihr bleibt ein Platz überlassen, der zuhöchst irrational, der völlig unmöglich, der so ganz und gar verabscheuungswürdig ist. Man treibt sie in einem Loch zusammen, das so eng ist, dass kaum jemand hinein gelangen kann, während der gesamte Zwischenraum im Namen des Qur’an (von seiner Gefolgschaft) in Anspruch genommen wird. Sagt man zu ihr: »Was ist der Qur’an?«, so sagen sie: »Ein schönes Buch (von und über) einen Menschen, das in den guten Sitten Unterricht erteilt.« Dann wird man ihnen auch sagen: »Weil dies so ist, darum ist es auch das Wort Gottes und als ein solches müsst ihr es auch annehmen. Denn nach der Lehre (meslek), der ihr angehört, werdet ihr nicht sagen: es ist ein schönes (Buch).« Und wenn man sie ferner fragte: »Was wisst ihr über den Propheten?« dann sagen sie: »Er ist ein hochintelligenter Mensch von guter Gesinnung.« Dann wird man ihnen sagen: »Wenn dies so ist, dann kommt zum Glauben. Denn war er von guter Gesinnung und auch klug, dann war er in jedem Fall auch der Gesandte Gottes. Denn mit eurer bloßes Aussage: er ist ein guter (Mensch), bleibt ihr nicht in eurem Rahmen. Denn eure Lehre sagt so etwas nicht.« Usw... Diesem Beispiel können noch andere Hinweise und weitere Aspekte der Wahrheit beigefügt werden. Auf Grund dieses Geheimnisses werden die Leute des Glaubens, die mit dem Teufel diskutieren, im Ersten Kapitel nicht dazu gezwungen, die Wunder Ahmeds und die unbestreitbaren Beweise dafür kennen zu lernen, um so ihren Glauben bestätigen zu können. Ein kurzer Wink, ein kleiner Hinweis rettet ihren Glauben. Alle Taten Ahmeds, alle Qualitäten Mohammeds, das ganze Verhalten des Propheten, mit dem Friede und Segen sei, gleichen einem Wunder und beweisen, dass ihm ein Rang (maqam) unter den Höchsten aller Großen gebührt und nicht unter den Niedrigsten der Niedrigen am Grunde des Brunnens.
Siebente Fragestellung Eine Problemstellung als Lehrbeispiel: Für einige meiner Freunde, die in ihrer abgrundtiefen Furcht den Mut verloren haben, sehe ich mich dazu veranlasst, sie mit sieben Beispielen in ihrer geistigen Verfassung zu stärken und dabei einen Gunsterweis (ikram) des Herrn anzuführen, als ein (Zeichen für den) Schutz Gottes über denjenigen, welche im Dienst am Qur’an stehen, und um jenen Teil der Freunde zu retten, die schon dabei sind, die Nerven zu verlieren. Vier dieser sieben Beispiele zeigen, wie sie ganz entgegen ihren Absichten eine Ohrfeige bekommen haben, weil sie, die meine Freunde waren, einzig um eines weltlichen Vorteils willen, aufgrund meines Dienstes am Qur’an und nicht gegen mich persönlich, aber doch eine feindselige Haltung eingenommen haben. Was die restlichen drei dieser sieben Beispiele betrifft, so waren sie wirklich meine Freunde und sind es noch heute. Doch zeigten sie vorübergehend nicht jene mannhafte Haltung, wie sie eine Freundschaft erfordert, weil sie sich darum bemühten, die Zuwendung der Weltleute zu gewinnen, weltliche Vorteile zu erlangen und für ihre eigene Sicherheit zu sorgen. Statt dessen mussten diese drei Freunde unglücklicherweise entgegen ihren Absichten einen schweren Tadel erfahren.
- Von den zuerst erwähnten vier, die zunächst Freunde gewesen waren, dann aber eine feindselige Haltung angenommen haben, war
der erste ein Kreisdirektor, der bei verschiedenen Gelegenheiten darum gebeten hatte, eine Kopie des Zehnten Wortes zu erhalten. Ich habe ihm eine gegeben. Doch dann brach er meine Freundschaft, weil er befördert werden wollte und nahm eine feindselige Haltung gegen mich ein. Er übergab (das Buch) dem Gouverneur, verbunden mit einer Anklage und einer Anzeige. Doch als ein Gunsterweis für den Dienst am Qur’an wurde er nicht befördert, sondern abgesetzt.
Der zweite war ebenfalls ein Direktor, war zunächst mein Freund und später mein Gegner, nahm mir gegenüber, nicht aus persönlichen Gründen, sondern auf Grund meines Dienstes eine feindselige Haltung ein, um sich bei seinem Vorgesetzten in Erinnerung zu bringen und die Sympathien der Weltleute zu gewinnen und erhielt entgegen seinen Absichten eine Ohrfeige. Er wurde in einer unerwarteten Angelegenheit zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Da bat er denn einen Diener am Qur’an um sein Gebet. Möge Gott es so wollen, dass er um der Gebete willen, die für ihn verrichtet werden, gerettet wird.
Der dritte war ein Lehrer. Da er sich mir gegenüber als Freund erwies, betrachtete auch ich ihn als meinen Freund. Doch später wählte er stattdessen eine feindselige Haltung, um nach Barla versetzt zu werden und dort zu leben. Doch entgegen seinen Absichten erhielt er eine Ohrfeige. Er wurde von seiner Lehrtätigkeit zum Militärdienst versetzt. So hat man ihn aus Barla entfernt.
Der vierte war auch ein Lehrer. (Weil er ein Hafidh war und ich in ihm einen praktizierenden Gläubigen sah), erwies ich ihm meine innige Freundschaft, in der Absicht, dass er mir im Dienst am Qur’an seine Freundschaft bezeigen möge. Doch dann wurde er auf ein einziges Wort eines Beamten hin unsicher und zeigte uns die kalte Schulter, um so wieder die Sympathien der Weltleute zu gewinnen. Auch er erhielt entgegen seinen Absichten eine Ohrfeige. Er wurde von seinem Schulrat ziemlich heftig zurecht gewiesen und verlor seinen Posten.
So empfingen denn diese vier Männer auf Grund ihrer feindseligen Haltung ihre Ohrfeigen. Auch drei Freunde bekamen zwar nicht gerade eine Ohrfeige, weil sie nicht jene mannhafte Haltung gezeigt hatten, wie man sie von wahren Freunden erwartet, aber doch entgegen ihren Absichten eine ernsthafte Warnung.
Der Erste: Als eine geachtete Persönlichkeit, die ein sehr bedeutender, ernsthafter und treuer Schüler von mir war, schrieb er ständig die »Worte« ab und verteilte sie. Als ein hoher, aber leicht verwirrter, Beamter kam und sich dabei auch noch ein kleiner Zwischenfall ereignete, versteckte er die »Worte«, die er bereits abgeschrieben hatte und hörte auch vorübergehend damit auf, neue abzuschreiben, um bei den Weltleuten nicht in Schwierigkeiten zu geraten und keine Unannehmlichkeiten von ihnen zu bekommen und vor ihren Bosheiten sicher zu sein. Doch als ein Zeichen seines Irrtums, in dem er zeitweilig seinen Dienst am Qur’an unterbrach, litt er nun ein Jahr lang beständig unter einer Katastrophe, die über seinem Haupt schwebte, nämlich eine Strafe von Tausend Lira bezahlen zu müssen. Wann immer er die Absicht äußerte, mit den Abschriften fortzufahren und zu seiner früheren Aufgabe zurückkehrte, wurde der Schuldspruch über ihn aufgehoben, bis er – Gott sei’s gedankt – schließlich freigesprochen wurde. So wurde er in all seiner Armut davor bewahrt, die Tausend Lira bezahlen zu müssen.
Der Zweite: Er war mir fünf Jahre lang ein mutiger, ernsthafter und tapferer Freund gewesen. Danach dachte er einige Monate nicht mehr daran, mich zu besuchen, obwohl wir doch Nachbarn waren und zufällig begegneten wir einander auch nicht. Er wollte das Wohlwollen und die Sympathien der Weltleute und des erst kürzlich erschienen Distriktkommissars gewinnen. So besuchte er mich nicht im Ramadan und an den Festtagen. Doch die Ereignisse in seinem Dorf verliefen entgegen seinen Absichten und am Ende verlor er seinen Einfluss.
Der Dritte: Ein Hafidh, der mich ein, zwei Mal in der Woche besuchen kam, war Imam geworden. Um nun auch noch einen Turban tragen zu dürfen, verließ er mich für zwei Monate. Er besuchte mich noch nicht einmal während der Festtage. Doch entgegen seinen Absichten und ganz gegen die sonst übliche Gewohnheit gestattete man ihm, auch nachdem er schon sieben, acht Monate Imam gewesen war, nicht, einen Turban tragen zu dürfen.
So gibt es denn eine ganze Reihe ähnlicher Ereignisse. Doch um die Gefühle einiger Leute nicht zu verletzen, möchte ich sie hier nicht erwähnen. So schwach nun diese Hinweise auch im Einzelnen sein mögen, so spürt man doch insgesamt eine Kraft (quvvet) in ihnen. Es erwächst aus ihnen die Überzeugung, dass zwar nicht ich selbst – denn ich halte mich nicht selbst für eines besonderen Gunsterweises (ikram) für würdig – aber doch wir alle rein im Hinblick auf unseren Dienst am Qur’an als einen solchen Gunsterweis Gottes verstehen dürfen, dass wir diesen Dienst unter dem Schutz des Herrn verrichten. Daran sollen meine Freunde denken und nicht in Panik geraten. Weil aber unser Dienst ein Gunsterweis Gottes ist und nicht ein Grund, stolz, sondern vielmehr dankbar zu sein, und weil es da einen Erlass (ferman) gibt:
»...doch vielmehr verkündige die Gnadenerweise deines Herrn.« (Sure 93, 11)
auf Grund dieses Geheimnisses erkläre ich dies lediglich meinen Freunden persönlich.
Achte Frag
Eine Anmerkung zum Dritten Beispiel des Dritten Punktes des Fünften Hindernisses der Hindernisse zur persönlichen Meinungsfindung im Siebenundzwanzigsten Wor
Eine wichtige Frage: Einige von den Erforschern der Wahrheit sagen: Jedes der Worte im Qur’an, Dhikr und Lobpreisungen (tesbih) erleuchten die feinen inneren Organe (Latife) des Menschen in vielerlei Hinsicht und versorgen sie mit geistiger Nahrung. Kennt man nicht ihre Bedeutung, so genügen bloße Worte allein noch nicht sie auszudrücken. Worte sind nur wie ein Kleid. Könnte man sie ändern, wäre es dann nicht weit zweckmäßiger, wenn ein jedes Volk diesen Bedeutungen ein Kleid in seiner eigenen Sprache anzöge?
Antwort: Die Worte des Qur’an und die Lobpreisungen des Propheten sind nicht ein lebloses Kleid, sondern wie die lebendige Haut eines Körpers, sind in der Tat im Laufe der Zeit zu einer Haut geworden. Kleider kann man wechseln. Wollte man aber seine Haut wechseln, würde dies dem Körper schaden. Segensreiche Worte, wie sie im Ruf zum Gebet (esan) oder beim Gebet (namas) selbst gebraucht werden, sind zu Merkmalen und Kennzeichen ihrer Bedeutung geworden. Diese Kennzeichen und Merkmale aber kann man nicht auswechseln. Ich selbst habe schon oft in mir einen Zustand (hal) beobachtet und untersucht und dabei festgestellt: dieser Zustand, das ist die Wahrheit. Und es ist folgender Zustand:
Ich habe einmal in der Nacht (Arefe) vor dem Opferfest (Kurban) Hunderte Male die Sure »Ichlas« rezitiert und bemerkt: Ein Teil von meinen feinen innerlichen Organen empfing daraus seine Nahrung, wurde ruhiger und schließlich still. Ein anderer Teil, schon mit der Fähigkeit zu innerer Wahrnehmung begabt, wendet sich noch eine längere Zeit der Bedeutung zu, entnimmt sich seinen Anteil und wird ruhig. Wieder ein anderer Teil, wie das Herz, entnimmt sich seinen Anteil an inneren Werten, der zu einer Quelle geistlicher Freude wird und geht sodann in das Schweigen ein. Usw... Schritt für Schritt bleiben bei der beständigen Wiederholung nur noch wenige dieser feinen geistigen Organe über, die sich erst sehr spät satt und zufrieden zeigen und bis dahin weiter machen, bis am Ende kein Bedürfnis nach innerer Wahrnehmung und Bedeutung mehr übrig bleibt. So wie Unaufmerksamkeit (ghafla) die Kraft der inneren Wahrnehmung schwächt, so kann sie doch letzteren keine Schwäche zufügen. Ihnen genügt schon ein bloßes (Segens)Wort, die bloße Erfassung von Sinn und Verständnis in einem befriedigenden Wort, Merkmale und Kennzeichen für allgemein gebräuchliche Ausdrücke. Denkt man an diesem Punkt noch weiter über den Sinn (der Worte) nach, so entsteht schließlich ein Überdruss, der (nur noch) destruktiv wirkt. Und diese feinen geistigen Organe brauchen keine Lehre und kein Verständnis, vielmehr bedürfen sie (einer beständigen) Erinnerung, Hinwendung und Ermutigung. Und diese Worte, die gleich einer Haut sind, genügen ihnen und versehen die Aufgabe des Sinnes. Und besonders dann, wenn diese arabischen Worte gemahnen, dass sie Worte Gottes und göttliche Verkündigung sind, so sind sie eine Quelle immerwährender Segensfülle.
So zeigt denn dieser Zustand (hal), den ich selbst erfahren habe: Den Esan, die Lobpreisungen nach dem Gebet und Wahrheiten wie die Fatiha und die Sure-i Ihlas, die stets wiederholt werden, in einer anderen Sprache zum Ausdruck zu bringen, bringt einen großen Schaden. Denn nachdem die immer sprudelnde Quelle der Worte Gottes und Seines Propheten versiegt ist, dann ist auch der beständige Anteil dieser beständigen feinen innerlichen Organe gleichfalls verloren. Ferner gehen auch mit jedem Wort mindestens zehn Verdienste (sevab) verloren und nicht jeder kann (das Bewusstsein) der beständigen Gegenwart Gottes während des ganzes Gebetes aufrecht erhalten. So entsteht denn in dieser Unaufmerksamkeit durch die menschlichen Worte der Übersetzung ein Schaden, als legte sich Finsternis über den Geist.
So wie schon Imam-i A’sam gesagt hat, ist
Kennzeichen und Merkmal der Göttlichen Einheit (Tauhid). Desgleichen sagen auch wir: Die übergroße Mehrheit aller Worte der Lobpreisungen (tebish) und des Gedenkens (dhikr), besonders aber der Ruf zum Gebet und das Gebet selbst sind zu solchen Kennzeichen und Merkmalen geworden. Und wie Zeichen werden sie nicht nur in ihrer wörtlichen Bedeutung sondern mehr noch in ihrer üblichen, den religiösen Vorschriften entsprechenden Bedeutung betrachtet. Weil dies aber so ist, kann man diese Worte nach der Schari’a nicht verändern. Selbst ein ungebildeter Mensch ist in der Lage, jene Bedeutung, die ein jeder Muslim kennen muss, kurz zusammengefasst, rasch zu erlernen. Wie können Menschen, die ihr ganzes Leben im Islam verbringen und dabei ihre Köpfe mit Tausenden sinn- und nutzloser Dinge füllen sich entschuldigen, wenn sie nicht in ein, zwei Wochen eine Zusammenfassung der Bedeutung jener gesegneten Worte lernen, die der Schlüssel zum Ewigen Leben sind? Wie können sie Muslime sein? Wie können sie verständige Menschen genannt werden?... Und es ist nicht verständig, die Fassung der Quelle des Lichtes um solch fauler Kerle willen zu zerstören!... Des Weiteren versteht, wer »Subhanallah« (Gott sei gelobt!) sagt, von welchem Volk auch immer er sein mag, dass er Gott den Gerechten damit preist. Genügt denn das nicht bereits? Wenn er die Bedeutung (dieser Worte) auch nur einmal in seine eigene Sprache überträgt, lernt er sie für alle Male mit seinem Verstand. Statt dessen wiederholt er sie hundert Mal am Tag. Diese hundert Mal sind, von dem Lernanteil des Verstandes einmal abgesehen, zusammen mit der kurzgefassten Bedeutung des Ausdrucks und dem in ihn übergegangenen und mit ihm verschmolzenen Ausdruck eine Quelle vieler Lichter und der Fülle des Segens. Besonders die Heiligkeit, die er aus den Worten in der Sprache Gottes empfängt, die Segensfülle und das Licht, das ihm aus dieser Heiligkeit erwächst sind von höchster Wichtigkeit... Zusammenfassung: Die wesentlichen Elemente des Glaubens sind die schützende Fassung der Heiligen Worte Gottes. Nichts vermag an deren Stelle zu treten und sie zu ersetzen, nichts ihren Platz einzunehmen und ihre Aufgabe zu erfüllen. Selbst wo es zeitweilig eine andere Ausdrucksmöglichkeit gibt, so ist es doch nicht ein ständiger, ein erhabener, ein heiliger Ausdruck. Was die Worte betrifft, welche die schützende Fassung für die Auslegung der Vorschriften des Glaubens bilden, so ist es nicht notwendig, sie zu ändern, denn eine solche Notwendigkeit wird durch gute Ratschläge und andere Belehrungen, Unterweisung, Studium und Predigt aufgehoben. Kurzum: Der Aufbau der arabischen Sprache in ihrem Wortschatz und in ihrem Satzbau und der Qur’an, der in seiner Vielfältigkeit und in seiner Ausdruckskraft ein Wunder ist, sind von solcher Art, dass es keine Möglichkeit gibt, sie zu übersetzen! Ja, ich kann sogar sagen, dass es unmöglich ist. Wer daran einen Zweifel hat, möge im Fünfundzwanzigsten Wort über den Qur’an und das Wunder seiner Verkündigung darüber nachschlagen. Was da eine Übersetzung genannt wird, ist nur eine kurz zusammengefasste, mangelhafte Auslegung. Wo bleibt da nun Ausdeutung und Sinn? Wo findet sich die wahre Bedeutung der Ayat, die sich so lebendig und in vielerlei Hinsicht um sie herum gruppieren?
Neunte Fragestellung Eine wichtige, persönliche Angelegenheit und ein Geheimnis der Gottesfreundschaft.
Eine riesengroße Gruppe der Leute der Wahrheit und Rechtschaffenheit in der islamischen Welt wird die der Leute der Tradition (Sunnah) und der Gemeinschaft (Cemaat) genannt und hat die Wahrheit von Qur’an und Glaube im Rahmen dieser Rechtschaffenheit buchstäblich allen in Ehren gehaltenen Bräuchen (Sünnet-i Seniyye) entsprechend bewahrt. Die überwiegende Mehrheit der Gottesfreunde erwuchs aus diesem Kreis. Ein anderer Teil der Gottesfreunde erschien auf einem Weg außerhalb einiger Grundsätze der Leute der Sunnah und Cemaat und zeigte sich im Gegensatz zu deren Fundamenten. So haben sich denn in der Betrachtung dieser Gruppe der Gottesfreunde zwei (extreme) Richtungen gebildet: Was die eine Richtung betrifft, so hat sie ihnen (den Status) der Gottesfreunde aberkannt, weil sie sich im Gegensatz zu den Grundsätzen der Leute der Sunnah verhielten. Ja, sie gingen sogar so weit, dass sie einen Teil von ihnen geradezu als Ungläubige bezeichneten.
Die zweite Gruppe ist die derjenigen, die ihnen nachfolgen. Da diese deren Heiligkeit anerkennen, sagen sie: »Die Wahrheit beschränkt sich nicht auf die Leute der Sunnah ve Cemaat.« Sie haben eine Gruppe von Reformatoren gebildet und sind in ihr bis zum Irrtum fortgeschritten. Sie wissen nicht: Nicht jeder, der recht geführt ist, ist ein Führer. Ihre Scheychs konnte man wegen ihrer Fehler entschuldigen, wenn sie in Ekstase waren. Was aber sie selbst betrifft, so sind sie nicht zu entschuldigen.
Was (darüber hinaus) eine gemäßigte Richtung betrifft, so leugnet sie nicht die Heiligkeit der Gottesfreunde, erkennt aber den Weg (den sie eingeschlagen haben) und ihre Schulen (meslek) nicht an. Sie sagen: »Soweit ihre Aussagen den Grundsätzen (des Glaubens) widersprechen, so befanden sie sich entweder, von ihrem ekstatischen Zustand (hal) übermannt, in einem Irrtum, oder aber es handelte sich dabei um metaphorische Umschreibungen, deren Bedeutung unbekannt ist.« Leider hat die erste Gruppe und unter ihnen, besonders die der Gelehrten unter den Anhängern, einer oft allzu wörtlichen Schriftauslegung, um die Schule der Anhänger der Sunnah in Schutz zu nehmen, viele bedeutende Gottesfreunde verleugnet, ja sich geradezu gezwungen gesehen, sie der Irreführung zu beschuldigen. Was aber Anhänger und Nachfolger betrifft, welche die zweite Gruppe bilden, so hat sie den wahren Weg (meslek) verlassen, weil sie ihren verschiedenen Scheychs gegenüber eine viel zu gute Meinung hatten, und waren einer Art Reformation, ja geradezu einem Irrweg verfallen.Es gab da in Verbindung mit diesem Geheimnis einen Zustand (hal), der mich in meinen Gedanken und Überlegungen sehr lange Zeit beschäftigt hat: Ich habe einmal einen Teil dieser Leute des Irrweges in einer Zeit heiliger Gebete geradezu verflucht. Da trat meinem Fluch eine gewaltige innere Kraft entgegen. Sie gab mir nicht nur mein Gebet wieder zurück, sie untersagte es mir sogar. Danach erkannte ich: Dieser Teil der Leute des Irrweges, welcher der Wahrheit (des Islam) entgegen arbeitet, zieht das Volk, von einer geistigen Kraft unterstützt, mit sich mit. Und hatte dabei Erfolg. Nicht allein (nur infolge der äußeren) Gewalt, vielmehr verbunden mit jener Sehnsucht, die aus der Kraft der Heiligkeit erwächst, sieht ein Teil der Leute des Glaubens, von eben dieser Sehnsucht getrieben stillschweigend darüber hinweg und hält (das Ganze am Ende) gar nicht mehr für so schlecht.
Da ich also nunmehr dieser beiden Geheimnisse gewahr wurde, ergriff mich Furcht. »Gepriesen sei Gott!«, sagte ich. »Kann es denn Heiligkeit geben, außer auf dem Weg der Wahrheit? Besonders aber auf diesem fürchterlichen Strom des Irrtums, können denn da die Leute der Wahrheit vorankommen?« Dann wiederholte ich nach islamischem Brauch an dem gesegneten Arefe-Tag die Sure-i Ichlas und rezitierte sie hundert Mal. So gesegnet stellte sich die später durch Gottes Barmherzigkeit zusammen mit der folgenden Tatsache als »Antwort auf eine wichtige Frage« niedergeschriebene Fragestellung in meinem armen Herzen ein. Und die Wahrheit ist folgende:
Zu Zeiten Sultan Mehmeds des Eroberers erzählte man sich die berühmte und lehrreiche Geschichte von »Cibali Baba«. Ähnlich wie er gibt es unter den Gottesfreunden einige, die äußerlich besonnen und vernünftig erscheinen und trunken sind in Gott. Und ein anderer Teil von ihnen erscheint dagegen manchmal nüchtern und Herr seiner Sinne zu sein und manchmal in einen Zustand (hal) völlig außerhalb ihres Verstandes und Urteilsvermögens zu geraten. Unter diesen wiederum gibt es einige, die alle Dinge miteinander verwechseln und sie nicht voneinander unterscheiden können. Sie behandeln eine Angelegenheit, die sie in einem solchen Zustand göttlicher Trunkenheit wahrgenommen haben, im Zustande der Nüchternheit. Sie befinden sich im Irrtum und wissen nicht, dass sie sich im Irrtum befinden. Einige dieser Gottesnarren leben unter Gottes besonderem Schutz und geraten nicht auf Irrwege. Andere aber werden nicht bewahrt und können sich unter der Schar der Ketzer und Neuerer wiederfinden. Es wird sogar für möglich gehalten, dass sie selbst unter die Ungläubigen geraten können.
So kommt es denn, dass solche, die zeitweilig oder andauernd von Gott berauscht sind, als von Ihm gesegnet und als Gottesnarren angesehen werden. Und weil diese Gottesnarren als ungebunden und gesegnet gelten, sind sie auch nicht verantwortlich. Da man sie aber nicht zur Verantwortung ziehen kann, kann man sie auch nicht kritisieren. Während sie zwar stets Heilige und Gottesnarren sind und bleiben, stellen sie sich doch gleichzeitig auf die Seite der Leute des Irrweges und der Neuerer. Sie gehen ihren Weg (meslek), machen ihn in gewissem Grade populär und unglückseligerweise bewirken sie so, dass einige Leute des Glaubens und der Wahrheit gleichfalls diesen Weg einschlagen.
Zehnte ProblemstellungIn Zusammenhang mit einer Eingebung meines Herzens wurde von Seiten einiger Freunde darum gebeten, einen Grundsatz bezüglich der Besucher zu erklären. Darum wurde das folgende niedergeschrieben.
Es sollte eigentlich bekannt sein, dass diejenigen, die uns besuchen, entweder kommen um der Dinge des irdischen Lebens willen. Diese Tür ist ihnen verschlossen. Oder aber sie kommen um des jenseitigen Lebens willen. In dieser Hinsicht gibt es zwei Türen: Entweder sie kommen, weil sie meine Person für gesegnet halten und glauben, dass ich einen geistlichen Rang (maqam) inne hätte. Auch diese Türe ist geschlossen. Denn ich bin keineswegs stolz auf mich. Ich bin auch keineswegs stolz auf diejenigen, die auf mich stolz sind. Vielmals Dank sei Gott dem Gerechten, dass er mich nicht hat stolz werden lassen. Der zweite Aspekt ist jedoch der, dass ich einzig der Verkünder des weisen Qur’an bin. Die durch diese Pforte eintreten, sind mir wie mein Augapfel. Ich heiße sie mit allem schuldigen Respekt willkommen. Auch unter ihnen gibt es drei Arten. Sie sind entweder Freunde, oder Brüder, oder Schüler.
Die charakteristischen Merkmale und die Bedingungen für Freunde sind: Sie müssen uns mit aller Entschlossenheit im Dienst an den Worten (Sözler) und Lichtern (Envar) des Qur’an ernsthaft zur Seite stehen und sie dürfen in ihrem Herzen nicht für Ungerechtigkeit, ketzerische Erneuerungen und Irrlehren eintreten. Sie sollen sich auch darum bemühen, für sich selbst einen Nutzen zu gewinnen.
Die charakteristischen Merkmale und die Bedingungen für die Brüder sind: Sie sollen ernsthaft daran mitarbeiten, die Worte (Sözler) zu verbreiten, die fünf Pflichtgebete zu verrichten und die sieben Todsünden zu meiden.
Die charakteristischen Merkmale und die Bedingungen für die Schüler sind: Sie sollen die Worte (Sözler) so für sich empfinden, als wären es ihre eigenen und sie hätten sie selbst verfasst, und wissen, dass die Aufgabe ihres Lebens darin besteht, sie zu verbreiten und ihnen zu dienen.
Diese drei Ebenen sind mit meinen drei Personen verbunden. Der Freund ist mit meiner individuellen und essentiellen Person verbunden. Der Bruder ist vom Standpunkt des Dienstes und der Anbetung mit der Persönlichkeit in mir verbunden. Was den Schüler betrifft, so ist sie in meiner Person als Lehrer (hoca) und Verkünder des Weisen Qur’an verbunden.
Solche Besuche bringen auch drei Früchte hervor:
Erstens: In Anbetracht (meiner Tätigkeit als) Verkünder von mir oder aus den Worten (Sözler) eine Lesung in den Juwelen aus dem Qur’an erhalten; und sei es auch nur eine einzige Lektion.
Zweitens: Im Hinblick auf den Dienst und die Anbetung im Jenseits einen Anteil an meinen Verdiensten zu haben.
Drittens: Sich gemeinsam der Schwelle (Dergah) Gottes zuzuwenden und unsere Herzen im Dienste des Weisen Qur’an Hand in Hand zu verbinden und miteinander um Erfolg und Rechtleitung (hidayat) zu bitten.
Wenn es ein Schüler ist, so ist er allmorgendlich mit seinem Namen bei mir anwesend und manchmal sogar in meiner Vorstellung und empfängt seinen Anteil.
Wenn es ein Bruder ist, so ist er mehrmals, mit seinem besonderen Namen und seiner Gestalt in meinem Gebeten (dua) und erhält seinen Anteil. Danach ist er mit allen Brüdern verbunden und ich übergebe ihn der göttlichen Barmherzigkeit, sodass er, wenn ich im Gebet »Brüder und Schwestern« sage, er mit dazu gehört. Auch wenn ich es nicht weiß, so weiß doch Gott in Seiner Barmherzigkeit um sie und sieht sie.
Wenn es ein Freund ist und er seine Pflichtgebete verrichtet und die Todsünden meidet, ist er in meinen Gebeten in die Gemeinschaft aller Brüder mit eingeschlossen.
Die Bedingung dabei ist, dass diese drei Arten (von Besuchern) mich in ihren innerlichen Gebeten und in ihre Verdienste mit einschließen.
»Es gibt keine Gottheit außer Gott.«