Cevap: Risale-i Nur lesen -Vierundzwanzigster Brie f
Erstes Kapitel
Es besteht aus fünf Hinweisen.
Erster Hinweis: Wie bereits im Anhang zum Sechsundzwanzigsten Worterwähnt wurde, gab es da einen geschickten Meister, der ein kostbares Gewand mit vielen Ausschmückungen und allen Verzierungen anfertigen wollte. Dazu bestellte er sich einen armen Mann gegen einen angemessenen Lohn als Modell. Um seine Kunstfertigkeit und Geschicklichkeit zu zeigen, misst er, schneidet, kürzt, verlängert er über diesem armen Mann das Gewand, lässt ihn auch sich hinsetzen oder wieder aufstehen und lässt ihn noch manch andere Stellungen einnehmen. Ja hat denn dieser arme Mann überhaupt ein Recht dazu, diesem Künstler zu sagen: »Warum fasst du denn dieses Kleid, das mich doch so schmückt, an und änderst es und machst mir derartige Umstände, dadurch, dass du mich aufstehen und wieder hinsetzen heißt und mich so in meiner Ruhe störst?«
Genauso aber ist es, wenn der Schöpfer in Seiner Herrlichkeit das Wesen eines jeden Dinges zu Seinem Modell annimmt, um daran aufzuzeigen, wie Seine Namen so herrlich verziert sind und wie vollendet seine Kunst ist. Jedes Ding und alles, was da lebt umkleidet Er mit einem Körper, ausgestattet mit Sinnesorganen und einem Empfindungsvermögen. Darauf zeichnet Er Ornamente mit Seiner Feder allen Geschehens (qadha) und allen Vorherwissens (qader) und zeigt so die Manifestationen Seiner Namen. So gibt Er allem Sein auch den Lohn, der ihm zukommt, in Gestalt seiner Vollendung, in Form von Genuss, durch Seinen Segen.
Ja hat denn irgendein Lebewesen oder Ding das Recht dem Schöpfer in Seiner Herrlichkeit, welcher das Geheimnis (sirr) des Wortes:
»Der König des Reiches verfügt in Seinem Königreich so, wie Er will.«
offenbart, entgegenzuhalten: »Du bereitest mir Schwierigkeiten. Du störst mich in meiner Ruhe.«? Gott bewahre! Dinge und Lebewesen haben in der Tat gegenüber dem, der da notwendiger Weise sein muss, in gar keiner Form irgendein Recht, Klage zu erheben. Vielmehr ist es billig und recht, dass sie allezeit mit Preis und Dank der ihnen verliehenen Stufe des Seins die Ehre geben. Denn alle diese ihnen verliehenen Stufen des Seins sind eine bereits vorgegebene Tatsache und verlangen nach dem, der sie hervorgerufen hat. Die jedoch nicht verliehenen Stufen sind eine bloße Wahrscheinlichkeit. Eine bloße Wahrscheinlichkeit besitzt jedoch keine wahre Existenz und die Zahl der Möglichkeiten ist unendlich. Was aber keine Existenz, kein Dasein hat, das erfordert auch niemanden, verlangt nach keinem, der es ins Dasein gerufen hätte. Was lediglich möglich wäre, wahrscheinlich sein könnte, das kann auch keine Ursache haben. So kann z.B. ein Stückchen unbelebter Materie nicht fragen: »Warum bin ich keine Pflanze?« Es kann sich nicht beklagen. Da es jedoch als ein Stückchen Materie ins Dasein getreten ist, steht es ihm wohl an, seinem Schöpfer dafür zu danken. Eine Pflanze kann nicht fragen, warum sie kein Tier ist und sich nicht darüber beklagen. Da sie jedoch ins Dasein gelangt und zugleich mit ihm das Leben empfangen hat, steht es ihr wohl an, Dank zu sagen. Was nun die Tiere betrifft, so können sie nicht danach fragen, warum sie keine Menschen geworden sind und sich auch nicht darüber beklagen. Da sie jedoch ins Dasein gelangt und zugleich mit ihm Leben und das kostbare Juwel des Geistes (ruh) empfangen haben, steht es ihnen darüber hinaus nur noch wohl an, dafür Dank zu sagen. Diese Beispiele ließen sich noch weiter vermehren.
Oh du Ankläger-Mensch! Du bist nicht im Unerschaffenen geblieben. Du hast dich mit dem Geschenk eines Körpers bekleidet, hast das Leben verkostet. Du bist nicht starr und leblos geblieben, kein Tier geworden. Du hast zur Gnade des islamischen Glaubens gefunden, bist nicht im Irrtum verblieben, hast Gesundheit und Geborgenheit als Geschenk erfahren, usw.
Oh du Undankbarer! Woher nimmst du dir denn das Recht dazu, so nichtig und gierig Gott den Gerechten anzuklagen, weil Er dir die hohen und erhabenen Gnadengaben nicht verliehen hat, die du auch gar nicht verdient hast, weil sie im Bereich des bloß Möglichen und gar nicht Vorhandenen geblieben und nicht in deine Hand gelangt sind, und so Seine Gnadengaben in Undankbarkeit zu verkehren, anstatt Ihm für alle die Stufen des Daseins (das unbelebte wie das belebte, das vegetative, animalische, wie das menschliche), die Er dir als reine Gnadengabe verliehen hat, Dank zu sagen?! Stiege also ein Mann zu der erhabenen Stufe eines hohen Ranges empor, etwa so wie man in einem Minarett hinauf steigt, und empfinge dieser an jedem Treppenabsatz ein großes Geschenk und würde er dann anstatt für die empfangenen Geschenke zu danken vielmehr sagen: »Warum kann ich denn nicht in einem noch höheren Minarett noch weiter hinaufsteigen?« sich darüber beklagen, weinen und seufzen, so würden selbst die Toren begreifen, welches Unrecht er damit beginge, in welch einen Abgrund der Undankbarkeit er dadurch fiele, was für eine große Dummheit er damit machte.
Oh du gottvergessener Mensch, der du dich beklagst, ohne ein Recht dazu zu haben, gierig bist und nie genug bekommst, verschwendest ohne Maß zu halten! Wisse und sei dir dessen sicher, dass Bescheidenheit auch eine Form der Dankbarkeit ist, die ihren Lohn in sich enthält, während die Gier eine Form der Undankbarkeit ist, die dich zugleich noch zum Verlierer macht, dass Mäßigung eine schöne und lohnende Weise ist, ein Geschenk in Ehren zu halten, während Verschwendung eine hässliche und nachteilige Weise ist, ein Geschenk zu missachten. Hättest du Verstand, würdest du dich um Bescheidenheit bemühen und nach der Zufriedenheit streben. Wenn dir die Dinge unerträglich vorkommen, so sage: »Ya Sabur (Oh Du, der Geduld schenkt)!« und bitte so um Geduld, sei zufrieden mit deinem Anteil und beklage dich nicht! Bedenke, wen du hier anklagst und vor wem, und schweig still! Wenn du dich aber nun schon beklagen willst, dann klage deine Seele (nefs) vor Gott dem Gerechten an, denn der Fehler liegt bei ihr.
Zweiter Hinweis: Wie bereits am Ende des letzten Abschnitts des Achtzehnten Briefeserwähnt wurde, ist der Sinn (hikmet) dessen, dass der Schöpfer in Seiner Majestät, wenn Er Sein Herrscheramt auf eine so erstaunliche und zugleich Furcht erregende Weise versieht, Seine Schöpfung ständig verwandelt und wieder erneuert, der folgende: Bekanntermaßen erwachsen alle die Aktivitäten und Bewegungen der Geschöpfe entweder aus Bedürfnissen, oder Instinkten, oder aus Liebe (muhabbet) oder einer Freude. Ja man kann sogar sagen: Jede Art von Tätigkeit enthält in sich eine Art von Freude. Ja jede Art etwas zu tun, ist zugleich auch eine Art sich zu freuen und zu genießen. Und diese Freude, dieser Genuss ist wiederum auf Vollendung (kemal) hin ausgerichtet, ja in sich bereits eine Stufe der Vollendung (kemal). Da aber nun einmal eine Tätigkeit auf ihre Vollendung hinweist, auf die Schönheit, die in ihr liegt, hindeutet, ein Ausdruck der Freude und Hinweis auf ihren Genuss ist, und da nun einmal Gott, in der Notwendigkeit Seines Seins, in Seiner absoluten Vollendung, in Seiner majestätischen Vollkommenheit, in Seinem Wesen, in Seinen Attributen, in Seinen Handlungen alle Arten der Vollendung in sich vereint, hat dieses Wesen, in der Notwendigkeit Seines Seins entsprechend der Notwendigkeit Seines Seins und Seiner Heiligkeit und gemäß dem Reichtum Seines Wesens nach innen und der Vollendung Seines Reichtums nach außen und bezüglich Seiner absoluten Vollendung und Seiner wesensgemäßen Reinheit eine unendlich heilige Liebe (shefqat), eine grenzenlose, einmalige und unvergleichliche Liebe (muhabbet).
Sicherlich vermag Er auch sich in Seiner unendlichen Heiligkeit zu sehnen, was aus der Heiligkeit Seiner Liebe (shefqat), dieser Seiner unvergleichlichen Liebe (muhabbet) geschieht. Und in Seiner unendlichen Heiligkeit vermag Er auch sich zu freuen, was aus dieser Seiner heiligen Sehnsucht geschieht. Und in dieser Seiner unendlichen Heiligkeit hat Er, wenn man so sagen darf, sogar auch die Gabe des Genusses, die aus dieser Seiner heiligen Freude erwächst. Sicherlich vermag Er in Seiner unendlichen Heiligkeit, wenn man so sagen darf, zugleich mit der Heiligkeit Seines Genusses auch in Seiner unendlichen Heiligkeit so zufrieden zu sein, wie es Ihm, dem Erbarmer gebührt, und in dieser Seiner unendlichen Heiligkeit stolz zu sein, wie dies zugleich auch Ihm, dem Allbarmherzigen entspricht, wenn sich die Fähigkeiten Seiner Geschöpfe angesichts Seiner Barmherzigkeit und im Rahmen Seiner Macht entfalten, ins Dasein treten und zu ihrer Vollendung heranreifen, wenn Seine Geschöpfe zufrieden sind und zur Vollendung gelangen, was jedoch zugleich auch auf grenzenlose Weise eine unendliche Aktivität erfordert. Und diese unendliche Aktivität erfordert weiterhin eine unendliche Verwandlung und Veränderung, einen andauernden Umbau und Abbau. Und diese unendliche Veränderung und Verwandlung erfordert weiterhin Tod und Trennung, Untergang und Vernichtung.
Einmal kam mir der Nutzen, den mir die menschliche Philosophie als das Ziel der Schöpfung vor Augen stellte, so ganz unbedeutend vor. Auf Grund dessen wurde mir dann auch klar, dass diese »Weisheit« auf einen Abgrund zusteuert. Darum verfallen auch die bereits weiter fortgeschrittenen unter diesen Philosophen entweder dem Irrtum ihrer eigenen Naturphilosophie und der Sophisterei, leugnen Wille und Weisheit des Meisters oder nennen den Schöpfer eine notwendige Folge seiner eigenen Person (mudjib-i bizzat).
So hat mir denn damals die göttliche Barmherzigkeit Ihren Namen »der Allweise« (hakim) zu Hilfe gesandt. Diese hat mir dann auch die großen Ziele aller geschaffenen Wesen und Dinge (gleich Briefen) aufgezeigt. Das heißt, dass alles Geschaffene ein Brief des Herrn (mit seinem Ziel) ist, den alle Bewusstsein tragenden Wesen lesen können. Dieses Ziel hat mir dann ein Jahr lang genügt. Danach aber entfalteten sich mir deren künstlerische Feinheiten. Da begann mir dieses Ziel nicht mehr länger zu genügen. So wurde mir ein anderes, noch größeres Ziel gezeigt. Das heißt, dass die bedeutendsten Ziele aller Wesen und Dinge auf ihren Meister ausgerichtet sind. Da erkannte ich Seine vollendete Kunstfertigkeit, die Ornamente Seiner Namen, Seine Weisheit, wie sie in aller Ziel- und Zweckgerichtetheit zum Ausdruck kommt, und die Geschenke Seiner Barmherzigkeit, wie sie sich Seinen Blicken darstellt und Spiegel Seiner Schönheit (dschemal) und Vollkommenheit (kemal) ist. Auch dieses Ziel hat mir dann für lange Zeit genügt. Dann aber erschien mir das Wunder der Macht und des Wirkens des Herrn, der alle Dinge, wenn Er sie in Seiner Staunen erregenden Schöpferkraft ins Dasein ruft und sie künstlerisch gestaltet, in so großer Schnelligkeit verändert und verwandelt. Da begann mir dieses Ziel nicht mehr länger zu genügen. Ich erkannte vielmehr, dass für ein solches Ziel notwendigerweise etwas da sein muss, ein Grund vorhanden sein muss, der es notwendig macht, ein solch großes Ziel zu setzen. So wurden mir denn damals die Erfordernisse des »Zweiten Hinweises« und die Ziele in den nachstehenden »Zeichen« deutlich gemacht und ich gelangte zu der sicheren Erkenntnis: »Das Wirken der göttlichen Allmacht im Kosmos, der Ablauf der Dinge und die Entwicklung aller Wesen sind von einer derartigen Bedeutung, dass der allweise Meister in dieser Art Seines Wirkens allen Wesen und Dingen im All Sprache und Ausdruck verleiht.« Es ist, als ob die Himmelskörper und ihre Bewegungen und alles, was sich auf Erden befindet und sich bewegt, Wort und Ausdruck einer Sprache wäre und das, was sie in Bewegung versetzt, in ihnen ihren Ausdruck findet. Das aber heißt, dass Auf- und Untergang, wie sie aus dieser Tätigkeit entstehen, Worte des Gotteslobes und -gedenkens (tesbihat) sind. Was im Kosmos geschieht aber ist wie eine wortlose Rede des Alls und all seiner Arten und seine Weise, (unser Herz) zum Reden zu bewegen.
Dritter Hinweis: Die Dinge gehen nicht ihrem Untergang und ihrer Vernichtung entgegen, sondern wechseln vielmehr aus dem Bereich göttlicher Verfügung (qudret) hinüber in den Bereich Seines Gedenkens (ilm), aus dieser bezeugten (shehadet) Welt in die unsichtbare (ghayb) hinüber, wechseln aus der Welt der Umwandlungen und des Vergehens (fena) in die Welt des Lichtes (nur) und der Beständigkeit (beqa). Wenn man es richtig betrachtet, ist also die Schönheit und Vollkommenheit in den Dingen mit den Göttlichen Namen verbunden. Diese bilden ihren Schmuck und jene treten durch sie in Erscheinung. Da diese Namen unvergänglich und ihre Erscheinungsformen beständig sind, wird sicherlich auch ihr Schmuck wieder aufgefrischt, wieder neu und schön. Er fällt nicht der Vernichtung und dem Untergang anheim, ändert vielmehr nur seine äußere Erscheinungsform. Doch im Kern und Grunde ihres Wesens und der Abbilder ihres So-Seins, welche die Quelle der Schönheit und Vollkommenheit sind und wodurch ihr Segen und ihre Vollendung sichtbar werden, bleiben sie beständig (baqi). Was aber die unbelebten Dinge betrifft, so ist die Schönheit und Vollkommenheit, die in ihnen sichtbar wird, unmittelbar mit den Namen Gottes verbunden, ihnen gebührt die Ehre, ihnen wird aller Lobpreis zugesprochen, ihnen kommt alle Schönheit zu, die Liebe betrifft sie und die Veränderungen, welche mit ihren Abbildern vor sich gehen, fügen ihnen keinen Schaden zu. Wo es sich um beseelte Dinge handelt, jedoch solche ohne Verstand, so ist Tod und Trennung für sie nicht Untergang noch Vergehen, sondern eine Befreiung von den Wirren des körperlichen Daseins und der Aufgaben des Lebens. Die Früchte, welche sie in der Erfüllung ihrer Aufgaben erworben haben, werden ihrem unvergänglichen Geiste (ruh) gutgeschrieben. Dieser Geist bleibt dadurch beständig, dass er jeweils einen der göttlichen Namen reflektiert und in ihm weiter lebt, ja sogar in seine ihm gemäße Seligkeit eingeht. Handelt es sich stattdessen um Lebewesen mit Geist und Verstand, so sind sie auf einer Reise zur ewigen Glückseligkeit, in eine ewige Welt, die Quelle leiblicher und seelischer Vollkommenheit ist, in andere Wohnstätten und in Länder des allweisen Schöpfers, wie z.B. in die Zwischenwelt (berzah), die Traumwelt, die Welt der Geister, welche viel schöner und weit leuchtender als diese unsere Welt sind. Eine solche Reise ist weder Tod noch Vernichtung, weder Untergang noch Trennung, sondern die Erlangung der Vollkommenheit.
Zusammenfassung: Wollen wir einmal davon ausgehen, dass es den Schöpfer in Seiner Majestät gibt, dass Er beständig da ist, dass Seine Eigenschaften und Seine Namen ewig sind und für immer währen, und dass der Schmuck und die Ornamente Seiner Namen sich mit Bestimmtheit innerhalb eines geistigen Bestandes immer wieder erneuern, so gibt es weder Zerstörung und Vernichtung, noch den Untergang und das Vergehen. Und weiterhin ist ja bekannt, dass der Mensch als Geschöpf mit den meisten seiner Mitgeschöpfe in Verbindung steht. Er freut sich an reiner, ursprünglicher Natur und bemerkt schmerzlich ihr Verschwinden, ihre Vernichtung. Er empfindet diesen Schmerz noch stärker im Schmerz der empfindsamen Lebewesen und besonders der Menschen und besonders der Vollendeten unter ihnen, die er liebt und hochschätzt. Auch ist seine Freude über ihre Glückseligkeit noch stärker. Ja gleich einer liebenden Mutter opfert er sein eigenes Glück und Wohlergehen (rahat) für anderer (Menschen) Wohl. So also kann jeder Gläubige, seiner Stufe entsprechend, im Lichte des Qur'an und im Geheimnis des Glaubens freudig Anteil nehmen am Wohlergehen aller Geschöpfe und ihrem Fortleben, an ihrer Rettung vor dem Nichts und daran, dass sie kostbare Briefe des Herrn sind (d.h. eine Botschaft vom Ewigen Gott, also eine Urkunde mit dem königlichen Siegel und nicht etwa ein Zettel voll wertlos gewordener Notizen, ein welkes Blatt – A.d.Ü.). Auf diese Weise kann er (in der Wahrnehmung des Lichtes Gottes in allen Geschöpfen – A.d.Ü.) ein Licht gewinnen so groß wie die Welt. Jeder zieht, seiner Stufe entsprechend, Nutzen aus diesem Licht (des Qur'an). Ist er hingegen ein Kind des Irrglaubens, so wird er neben seinem eigenen Leiden auch noch den Schmerz über das Verschwinden ursprünglicher Natur, die Vernichtung der Schöpfung, ihren offensichtlichen Untergang, und soweit es sich dabei um Lebewesen handelt, über ihr Leiden empfinden. Das heißt, sein Unglaube erfüllt seine Welt mit Untergang (d.h. er kann nichts anderes erkennen, weil er an nichts anderes glaubt – A.d.Ü.), versetzt ihn selbst in eine solche Weltuntergangsstimmung, dass ihm (die Welt) bereits zur Hölle wird, bevor er selbst zur Hölle fährt.
Vierter Hinweis: Wie wir bereits an verschiedenen Stellen gesagt haben, unterstehen einem Kaiser, einem König (Sultan), einem Kalifen, einem Herrscher (Hakim) oder Kommandanten mehrere, ganz und gar unterschiedliche Amtsbereiche, die sich aus ihren verschiedenen Titeln und Eigenschaften ergeben. In gleicher Weise sind auch Gott dem Gerechten in Seinen Schönen Namen unerfassbar und unberechenbar viele, ganz verschiedene Erscheinungsformen zu Eigen. Die Verschiedenheiten und die Unterschiede zwischen den einzelnen Geschöpfen sind ein Ergebnis der Verschiedenheiten dieser Erscheinungsformen. So möchten denn auch, entsprechend dem Geheimnis, dass alles, was Vollkommenheit (kemal) und Schönheit (djemal) besitzt, von Natur aus diese Schönheit und Vollkommenheit sehen und zeigen möchte, diese verschiedenen Namen, weil sie für immer und ewig bestehen, sich mit Hinblick auf den Heiligen (aqdes) in einer dauerhaften Form manifestieren, das heißt also, dass sie ihren Schmuck betrachten, das heißt aber, dass sie das Aufstrahlen ihrer Schönheit und den Widerschein ihrer Vollkommenheit im Abglanz ihres eigenen Schmuckes sehen und zeigen möchten, was wiederum heißt, dass es nötig ist, dass das große Buch der Schöpfung und die verschiedenen Briefe der Geschöpfe (d.h. die Schöpfung als Ganzes ist ein Buch und die einzelnen Geschöpfe sind darin wie Briefe Gottes – A.d.Ü.) sich von Zeit zu Zeit erneuern, d.h. in ihrer Bedeutung immer wieder von Neuem aufgezeichnet werden, d.h. auf einer einzigen Seite Tausende ganz verschiedener Briefe (wie Tausende von Blättern an einem Baum – A.d.Ü.) niederzuschreiben und in jedem einzelnen Brief im Angesichte dessen, der da heilig (muqaddes) ist und der Heilige (aqdes) genannt wird, aufscheinen und zugleich auch vor den Augen aller Bewusstsein tragenden Wesen dargeboten und ihnen zu lesen gegeben wird. Um dieser Wahrheit ein Zeichen zu setzen betrachte dieses Gedicht, das der Wahrheit Ausdruck verleiht:
- Die Seiten im Buche der Welt sind ihre unendlichen Maße.
Die Zeilen der Geschehnisse darinnen sind ihre Werke ohne Zahl,
Geschrieben an der Werkbank der Wohlbewahrten Tafel der Wahrheit,
Die Verkörperung eines bedeutungsvollen Wortes – in der Welt – ein jedes Geschöpf.
»Gib Acht auf die Zeilen des Kosmos, denn sie sind von dem Höchsten an dich ein Brief.«
Fünfter Hinweis, bestehend aus zwei Anmerkungen
Erste Anmerkung: Da nun einmal die Wahrheit (haqq) und Wirklichkeit Gottes besteht, bestehen alle Dinge (d.h. die Existenz der Dinge ist von der Existenz Gottes abgeleitet – A.d.Ü.). Da nun einmal eine Verbindung mit dem Herrn besteht, der da notwendigerweise (vadjib) sein (vudjud) muss, sind alle Dinge für jedes Ding. Denn durch seine Verbindung mit dem, der da notwendigerweise sein muss, erhält eine jede Existenz im Geheimnis der Einheit (vahdet) ihre Verbundenheit mit allen Existenzen. Das heißt, dass jede Existenz, die um ihre (eigene) Verbindung weiß oder diese Verbindung (der unbelebten Natur) kennt, mit dem, der da notwendigerweise sein muss, auch im Geheimnis dieser Einheit mit allen Existenzen in Verbindung kommt, die dem Notwendig-Seienden zugehörig sind. Das heißt: jedes Ding kann hinsichtlich dieser Beziehung (wie ein Brennpunkt) zahllose Lichter (Verbindungen) der Existenzen empfangen. Trennung oder Untergang gibt es in dieser Hinsicht (d.h. in diesem Brennpunkt) nicht. Ein Augenblick des Lebens ist Quelle zahlloser Lichter der Existenzen (d.h. der Verbindung mit ihnen). Gäbe es diese Beziehung und dieses Wissen um sie nicht, entstünde (statt ihrer) zahllose Trennung, Untergang und Nicht-mehr-sein. Denn an die Stelle einer möglichen Verbundenheit mit allen Existenzen tritt nun Trennung, Abschied und Untergang. Das heißt, dass die eigene Existenz zahllose Male mit Nicht-mehr-sein und Trennung belastet wird. Blieben auch eine Million Jahre einer solchen Existenz (ohne jede Beziehung), so könnte sie dennoch nicht einem Augenblick eines Lebens gleich sein, das man vom obigen Standpunkt aus betrachtet. Deshalb haben die Leute der Wahrheit gesagt: »Ein einziger Augenblick lichtvoller Existenz ist einer Existenz von einer Million Jahren ohne ein Fortleben vorzuziehen.« das heißt: »Ein einziger Augenblick des Lebens verbunden mit dem Notwenig-Seienden ist einem beziehungslosen Leben von einer Million Jahren vorzuziehen.« Ebenso haben die Forscher (tahqiq) auf Grund dieses Geheimnisses gesagt: »Die Lichter des Seins bestehen in der Kenntnis des Notwendig-Seienden.« Das heißt: »In diesem Zustand (hal) sieht man in den Lichtern der Existenzen die ganze Welt erfüllt von Engeln, Geistern und Bewusstsein tragenden Wesen. Ohne sie umhüllt eine jede Existenz die Finsternis des Nicht-mehr-seins, des Leidens, der Trennung und des Untergangs. Die Welt erscheint vor den Augen eines solchen Menschen in der Gestalt einer leeren, verlassenen Einöde.« Es ist in der Tat so, dass jede Frucht eines Baumes mit jeder anderen Frucht an diesem Baum in Verbindung steht. In dieser Verbindung gibt es für sie Freunde und Geschwister, die ihr entsprechend ihrer Zahl ebenso viele weitere Existenzen verleihen. In dem Augenblick, da man diese Frucht vom Baume löst, wird ihr Untergang und Trennung von jeder anderen Frucht. Darum ist jede andere Frucht für sie wie nicht mehr vorhanden. Daraus erwächst ihr eine äußerliche Finsternis eines Nicht-mehr-seins. Ebenso gibt es für jedes Ding, hinsichtlich seiner Verbundenheit mit der Macht des Einen und Einzigartigen (ahad-i samad) auch alle die anderen Dinge. Gäbe es diese Verbundenheit nicht, bestünde für jedes Ding äußerlich ein Nicht-mehr-sein, so zahlreich wie alle die anderen Dinge.
So betrachte denn in diesem Abschnitt die gewaltige Größe der Lichter des Glaubens und siehe die schreckliche Finsternis des Irrglaubens! Das heißt, der Glaube ist eine Bezeichnung für die erhabenen Wahrheiten, so wie sie der Natur der Dinge entspricht und wie wir sie in diesem Absatz beschrieben haben und aus ihnen kann man im Glauben seinen Nutzen ziehen. Wo kein Glaube ist, da sind alle Dinge, so wie sie für einen blinden, tauben, stummen, unverständigen Menschen nicht vorhanden sind, gleichfalls auch für einen glaubenslosen Menschen wie in Finsternis getaucht und nicht vorhanden.
Zweite Anmerkung: Die Welt und die Dinge in ihr haben drei Gesichter (Aspekte):
Erster Aspekt: Das eine Gesicht der Welt ist den göttlichen Namen zugewandt und widerspiegelt sie. Dieses Antlitz kennt weder Tod noch Trennung noch Zerfall, sondern nur Erneuerung und Wiederherstellung.
Zweiter Aspekt: Ein anderes Gesicht ist auf das Jenseits gerichtet, betrachtet die beständige Welt, deren Saatfeld sie ist. Demzufolge wird diese Welt für den Anbau unvergänglicher Früchte und bleibender Erträge genutzt, dient der Ewigkeit, verwandelt die vergänglichen Dinge in ewige. Auch dieses Antlitz kennt weder Tod noch Untergang, sondern nur die Erscheinung des Lebens und der Ewigkeit.
Dritter Aspekt: Das dritte Gesicht betrachtet die Vergänglichkeit, blickt auf uns, ist der Liebling aller Sterblichen und Kinder ihrer Gelüste, ein Handelsplatz für alle mit Bewusstsein begabten Wesen, ein Ort der Prüfung für (uns alle, die wir von Gott) beauftragt sind. Dieses dritte Gesicht ist von Untergang, Tod, Zerfall und Nicht-mehr-sein gezeichnet. Als heilende Salbe für diesen Schmerz und diese Wunden gibt es die Erscheinung der Ewigkeit und des (ewigen) Lebens als den inneren Aspekt dieses dritten Aspektes.
Zusammenfassung: Dieser Strom der Existenzen, diese reisenden Geschöpfe sind die Spiegel, die sich bewegen und der Abglanz, der sich wandelt, um die Lichter der Erschaffung und des Daseins dessen, der da notwendigerweise Sein muss, zu erneuern.